Das Ende einer Sportkarriere

schwimmen

Trotz aller meinen Bemühungen interessiert sich mein Sohn M. nicht für Sport. Dabei hat es sehr vielversprechend angefangen. Als er ungefähr sieben oder acht Jahre alt war, war er sehr sportlich, sodass wir Eltern sich große Hoffnungen für seine Zukunft als Sportler machen durften.

Zu diesen Zeiten zog unsere Familie in ein kleines Dorf S. um, und M. musste sich in die neue Grundschule integrieren, was er erstaunlich schnell und ohne Mühe geschafft hat. Nach ein paar Monaten war er schon Mitglied der Schulsportmannschaft und sollte bald an einem regionalen Schwimmwettbewerb teilnehmen. Er war natürlich stolz darauf und nahm die Sache sehr ernst an. Er verlangte von uns, das wir ihn regelmäßig zum Schwimmbad brachten, damit er fleißig trainieren konnte.

Als er am Morgen vor dem Wettbewerb das Haus verließ, haben wir ihm unseren Glückwunsch feierlich ausgesprochen und fingen an, gespannt und ein bisschen nervös auf seine Rückkehr zu warten. Nach den üblichen Schulzeiten kam er wieder zurück, total niedergeschlagen und deprimiert. Wir versuchten ihn gleich zu trösten, indem wir ihn versicherten, dass es völlig in Ordnung sei, wenn man nicht jedes Mal den ersten Preis kriegt. Aber unser Trost war fehlgeschlagen. Er erzählte uns die folgende Geschichte.

Als er mit seinen Schwimmsachen zur Schule kam und schon in den Bus rein wollte, der die Schulmannschaft zum Wettbewerb bringen sollte, sagte ihm die Sportlehrerin, Frau P.:

„Halt, M.! Du gehst nicht mit. Deine Deutschlehrerin, Frau S., hat mir mitgeteilt, dass du gestern deine Hausaufgabe nicht gemacht hast. Und dies passiert nicht zum ersten Mal. Also, bevor du unsere Schule in einem Wettbewerb vertreten darfst, musst du lernen, dich an die Schulregeln zu halten.“

Seit diesem Tag interessiert sich mein Sohn M. nicht mehr für Sport. Und wenn er seitdem irgendeine Deutsch-Hausaufgabe auch gemacht hat, dann ist es mir nicht bekannt.

„Deine Autorität als Vater ist einfach nichts…“
(nochmal über die Schularreste)

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Eigentlich sollte ich mich schon lange daran gewöhnt haben, aber ich ärgere mich immer noch jedes Mal, wenn einer von meinen Söhnen mir einen gelben Zettel mit der Nachricht reicht, dass er in der Schule Arrest bekommen hat. Ich ärgere mich natürlich nicht über mein Kind, sondern über seine Lehrerin oder seinen Lehrer, der sich in meine Familienangelegenheiten so unverschämt einmischt. Denn genauso sehe ich die Sache.

Ich muss mich leider damit abfinden, dass ich keinen Einfluss darauf habe, was mit meinen Kindern in der Schule passiert. Sie selber behaupten, dass sie dort nichts lernen, und wenn es einigermaßen stimmt, dann ist es sehr schade um die verlorene Zeit. Aber wenigstens gehören meine Kinder nach der Schule zu mir. Das heißt, ich bin dafür verantwortlich, wie ihr Leben verläuft. Ich kümmere mich darum, dass jede Minute ihrer Zeit mit irgendeiner sinnvollen Tätigkeit gefüllt wird.

Und nun kommt es vor, dass einer Lehrerin oder einem Lehrer es nicht gefällt, dass mein Kind sich im Unterricht langweilt. Das Kind soll dafür bestraft werden. Diese Strafe besteht darin, dass er die sinnvolle Tätigkeit, die ich für ihn geplant habe, nicht mehr ausüben darf. Er muss stattdessen nochmals in die Schule zum Arrest erscheinen, um dort wenigstens eine Stunde lang irgendeinen dummen Text abzuschreiben.

Der Zeitverlust beschränkt sich aber nicht nur auf eine Stunde, weil dazu noch die „Randeffekte“ kommen. Man braucht doch einige Zeit für den Weg zur Schule und zurück. Zuvor muss man sich aber bereitmachen und danach auch irgendwie abreagieren. Das sind insgesamt zwei Stunden oder sogar mehr. Dadurch geht der ganze Tagesplan, den ich für mein Kind entworfen habe, völlig kaputt.

Was sagt mir also eine Lehrerin oder ein Lehrer mit dem gelben Zettel? Einfach folgendes:

Liebes Väterchen,

was du auch immer für deine Kinder vorhast, das ist völlig unwichtig. Ich kann deine Pläne jederzeit kaputtmachen, nur weil es mir so gefällt. Meine Entscheidung brauche ich vor niemandem rechtfertigen. Deine Autorität als Vater ist einfach nichts im Vergleich zu meiner Vollmacht als Lehrkraft.

Mit freundlichen Grüßen,

Lehrer/in: (Unterschrift)

Von vorstehender Mitteilung habe ich Kenntnis genommen:

___________(Erziehungsberechtigte/r)

Mich dagegen zu wehren würde nur zu noch schlimmeren und erniedrigenden Folgen führen (soweit mir die Rechtslage bekannt ist). Es bleibt mir nur eines: mich zu ärgern.

„Du bekommst Arrest!“

Nachsitzen 1Nachsitzen 2

Mein Sohn B. hat aus der Schule einen gelben Zettel mitgebracht, auf dem steht:

Der Schüler B. Klasse 9a erhält 1 Stunde Arrest.

Grund: Schreibt konsequent nicht mit, benimmt sich frech und widerspenstig, ist nicht einsichtig.

Der Arrest wird festgesetzt auf Montag 18.05.2015 um 14.15 Uhr.

Fachlehrer:  (Unterschrift)

Klassenlehrer/in   (Unterschrift)

Von vorstehender Mitteilung habe ich Kenntnis genommen:

___________(Erziehungsberechtigte/r)

Als ich mich nach den Einzelheiten erkundigte, hörte ich vom Arrestant in spe die folgende Geschichte.

Unsere Russischlehrerin Frau O. hatte einfach schlechte Laune. Während dem Unterricht schrieb sie auf der Tafel, wie einige russische Verben konjugiert werden. Ich schrieb wie gewöhnlich nicht mit. Frau O. hat es bemerkt und fragte:

„B., warum schreibst du nicht mit?“

„Weil ich das alles sowieso kenne“, antwortete ich und fügte in meinen Gedanken hinzu: „Und kenne es sogar besser als Sie, Frau O.: Russisch ist doch meine Muttersprache!“

„Wo ist dein Grammatikheft?“, fuhr Frau O. mit der Befragung fort.

„Ich habe keines. Ich führe einfach kein Grammatikheft.“

„Wieso? Du musst aber ein Grammatikheft führen.“

„Ich brauche keines!“

„So geht das nicht! Ich will, dass du ein Grammatikheft führst, wie auch jeder normale Mensch! Jetzt aber nimmst du ein Blatt Papier und schreibst mit!“

Ich holte mir ein Blatt Papier, nahm einen Bleistift in die Hand – und legte ihn wieder auf den Tisch, weil Frau O. jetzt wieder mit der Tafel beschäftigt war. Nach etwa zehn Minuten merkte sie, dass ich immer noch nicht mitschreibe. Da war sie wütend:

„Jetzt reichtʼs, B.! Du bekommst eine Stunde Arrest. Und schreibst jetzt doch mit!“

„Es hat nun aber überhaupt keinen Sinn mehr. Den Arrest habe ich sowieso bekommen.“

„Was? Hier habe ich einige gelbe Zettel. Ich fülle einen gleich aus. Du kommst zum Arrest am Montag Nachmittags nächste Woche.“

„Aber Frau O.! Ich kann zur diese Zeit nicht kommen. Ich habe dann Klavierunterricht.“

„Das ist mir völlig egal.“

Da musste ich meinem Sohn erklären, dass man in der Schule nicht die Fächer lernt, sondern man lernt hauptsächlich, gehorsam zu sein.

Was bedeutet „Lambacher Schweizer“?

Lambacher Schweizer

Die Mathe-Bücher aller meiner Kinder, die in die Schule gehen, fangen an mit den Wörtern „Lambacher Schweizer“. Das ist das Erste, was auf dem Umschlag geschrieben ist, und dies noch in einer großen Schrift.

„Was bedeutet eigentlich Lambacher Schweizer?“, fragte ich sie, einen nach dem anderen.

„Keine Ahnung“, bekam ich immer dieselbe Antwort.

„Frag doch mal deinen Lehrer“, schlug ich jedem vor.

„Wieso? Meinst du etwa, ich soll mich mitten im Unterricht melden, um so eine dumme Frage zu stellen?“

„Genau.“

„Das geht doch nicht!“

„Na ja, du kannst es wenigsten versuchen. Dann erzählst du mir, was daraus geworden ist.“

Hier sind die drei Berichte (nach der Zahl der Kinder), die ich nach ein paar Tagen angehört habe.

1.
„Frau G., können Sie mir bitte sagen, was Lambacher Schweizer bedeutet?“

„Oh, das weiß ich nicht. Und jetzt machen wir mit Mathematik weiter.“

2.
„Herr F., was heißt Lambacher Schweizer?“

„Das ist der Name des Buches.“

„Aber was bedeutet dieser Name?“

„Es ist einfach ein Name, wie Arthur, zum Beispiel. Weißt du, was Arthur bedeutet? Das Mathe-Buch hieß immer so, schon als ich selbst in die Schule kam.“

3.
„Herr R., ich hätte da mal so eine Frage. Was bedeuten die Wörter Lambacher Schweizer?“

„Willst du uns vom Thema ablenken?“

„Nein. Aber eigentlich hat das schon was mit dem Thema zu tun, da wir ja Aufgaben aus diesem Buch machen.“

Da meldete sich ein Mädchen, die eine Aufgabe aus dem Lambacher Schweizer gerade gelöst hatte und ihre Lösung vorlesen wollte.

Herr R. ignorierte mich und rief sie auf.

Anmerkung. Wilhelm Schweizer (1901-1990) ist Autor der ersten Mathe-Bücher für Gymnasien, die in der Nachkriegszeit beim Klett-Verlag erschienen. Dr. Theophil Lambacher (1899-1981) wollte ihm zuerst beim Schreiben netterweise helfen, hatte aber leider dafür wenig Zeit, weil er bei seinem Amt in der Oberschulbehörde sehr beschäftigt war. Beide gehören nicht zu den Autoren der heutigen Mathe-Bücher.

Der letzte Tropfen

Erziehung 1Erziehung 2

Ich habe schon längst geahnt, dass das System „meine Kinder – die Schule“ nicht ganz richtig eingestellt ist, aber der letzte Tropfen war der folgende Dialog mit meinem Sohn R. am Vorabend einer Mathe-Klassenarbeit.

Ich: Hast du dich gut auf die morgige Klassenarbeit vorbereitet?

R.: Ja. Alles in Ordnung.

Ich: Also, bekommst du eine Eins?

R.: Ich glaube schon.

Ich: Über welche Themen schreibt ihr?

R.: Mittelwerte. Auch Multiplizieren und Dividieren mit Brüchen und Kommazahlen.

Ich: Was ist dann ein Mittelwert von den ersten zehn natürlichen Zahlen, also von eins bis zehn?

R.: Eh… Moment mal… Zwanzig?

Ich: Na, klar: dafür bekommst du gewiss null Punkte.

Ich habe ihm dann noch ein paar einfache Rechenaufgaben mit Brüchen und Kommazahlen gegeben, aber nicht einmal eine richtige Antwort bekommen. Da musste ich ihm die Rechenregeln erklären und eine Menge Übungen dazu auf ein Blatt Papier schreiben. Nach anderthalb Stunden konnte er schon ziemlich flott rechnen.

Ich: Jetzt bist du doch einigermaßen vorbereitet. Aber wenn ich mich nicht eingemischt hätte, würdest du morgen eine Fünf oder sogar eine Sechs schreiben.

R. zuckt mit den Schultern.

Ich: Du weißt doch, dass ich dir bei Mathe immer helfen kann. Warum hast du dich nicht selbst an mich gewendet?

R.: Genau darum. Ich hatte vor, was anderes zu tun. Und jetzt habe ich deinetwegen anderthalb Stunden verloren.

Ich: Aber du hast doch dafür rechnen gelernt und kannst jetzt in der Klassenarbeit eine gute Note bekommen!

R.: Ist doch egal…

Also, ich meine, hier stimmt was nicht.